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Agentur Elite "Ich saß in der Falle": Model Carré Otis schildert mutmaßlichen Missbrauch durch Agenturchef
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Gérald Marie war Europa-Chef der renommierten Agentur Elite– und soll jahrelang junge Klientinnen missbraucht haben. In Frankreich läuft ein Ermittlungsverfahren gegen den 71-Jährigen. Ex-Models wie die Amerikanerin Carré Otis schilderten nun erschreckende Details.
Jahrelang haben sie geschwiegen. Nach den Schauspielerinnen scheint nun aber die Reihe an die Models gekommen, teils weit zurückliegende Missbrauchsfälle öffentlich zu machen und juristisch dagegen vorzugehen. Seit vergangener Woche sagen frühere Models in einem Ermittlungsverfahren gegen Gérald Marie, den ehemaligen Europa-Chef der mächtigen Model-Agentur Elite, aus.
"Es hat mich 20 Jahre lang verfolgt", sagt Lisa Brinkworth, eine ehemalige BBC-Journalistin, die die seit September 2020 laufenden Ermittlungen der Pariser Staatsanwaltschaft gegen Gérald Marie ins Rollen gebracht hat. "Die Zeit ist reif. Er war zu lange unangreifbar", urteilt die 54-Jährige.
Die Agentur "Elite" ist bekannt, weil sie unter anderem Top-Models wie Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Cindy Crawford unter Vertrag hatte. Die BBC-Journalistin Brinkworth hatte 1998 verdeckt für eine Reportage über sexuellen Missbrauch von Minderjährigen recherchiert. Dabei hatte sie auch Marie getroffen.
In einem Nachtclub in Mailand habe er sich breitbeinig auf ihren Schoß gesetzt und sei mit seinem Penis in sie eingedrungen, erzählt sie. "Ich habe mich völlig machtlos gefühlt. Er hat immer weitergemacht, obwohl ich nein, nein, nein gesagt habe", erinnert sich Brinkworth.
Mehrere Models erheben schwere Vorwürfe
Das frühere schwedische Model Ebba Karlsson, das vergangene Woche mit den Ermittlern sprach, schilderte, dass Marie ihr zu Beginn ihrer Karriere Fotos bekannter Models gezeigt habe. "Wenn du berühmt werden willst, musst du dich hingeben", habe der Agentur-Chef gesagt. "Während er das sagte, schob er seine Hand unter meinen Rock und penetrierte meine Vagina mit seinen Fingern."
"Ich habe mich gefühlt, als habe mir jemand den Kopf abgeschnitten", beschreibt Karlssonden Übergriff. "Es hat Jahre gedauert, bis ich mich in meinem weiblichen Körper wieder sicher gefühlt habe."
Marie weist alle Vorwürfe entschieden zurück, wie seine Anwältin Céline Bekerman betont. Ende vergangenen Jahres hatte sich allerdings auch seine Ex-Frau, Supermodel Linda Evangelista, hinter die mutmaßlichen Opfer der sexuellen Übergriffe gestellt. "Während meiner Beziehung zu Gérald Marie wusste ich nichts von den sexuellen Anschuldigungen gegen ihn, so dass ich nicht in der Lage war, diesen Frauen zu helfen. Wenn ich sie jetzt höre, und aufgrund meiner eigenen Erfahrungen, glaube ich, dass sie die Wahrheit sagen. Es bricht mir das Herz, weil dies Wunden sind, die vielleicht nie heilen werden, und ich bewundere ihren Mut und ihre Stärke, dass sie sich heute zu Wort melden", sagteEvangelista im Oktober 2020 der britischen Zeitung "The Guardian". Die Kanadierin war von 1987 bis 1993 mit Marie verheiratet.
Otis sagt, sie sei"unzählige Male" vergewaltigt worden
In New York hat ihn unterdessen das ehemalige Model Carré Otis verklagt, das zeitweise mit US-Schauspieler Mickey Rourke verheiratet war. Sie wirft Gérald Marie vor, sie "unzählige Male" vergewaltigt zu haben, als sie 17 Jahre alt war. Er habe sie in eine Art Abhängigkeit gezwungen in Bezug auf Essen, Unterkunft und Jobs. Zudem habe er ihr Kokain gegeben, unter dem Vorwand, sie würde dadurch abnehmen und mehr Aufträge als Model erhalten.
"Ich saß in der Falle. Ich wusste, dass ich die Misshandlungen ertragen musste, um weiterarbeiten zu können. Das wurde mir sehr deutlich gemacht", sagte Otis. Sie wirft dem heute 71-jährigen Marie auch vor, sie "an andere wohlhabende Männer in ganz Europa" vermittelt zu haben. Der Franzose sei der Harvey Weinstein der Modebranche.
Am Dienstag wurde Otis von den Ermittlern in Paris vernommen. Anschließend trat die 52-Jährigean der Seite von fünf anderen Ex-Models vor die Presse: "Schließt euch uns an!", sagte sie sichtlich aufgewühlt an die Adresse anderer möglicher Opfer des Agentur-Chefs gerichtet. "Es ist Zeit, dass dieser Mann für seine Verbrechen zur Verantwortung gezogen wird."
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Viele der mutmaßlichen Missbrauchsfälle ereigneten sich in den Achtzigern und Neunzigern und sind nach französischem Recht verjährt. Brinkworth hofft darauf, dass die Frist aufgehoben werden kann, weil sie durch eine Vereinbarung zwischen der BBC und der Elite-Agentur zum Schweigen verpflichtet war. Außerdem hoffen die Models, dass sich möglicherweise ein Opfer melden könnte, in dessen Fall die Vergehen noch nicht verjährt sind.
Seit Beginn der Ermittlungen haben sich nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP etwa 15 Frauen öffentlich geäußert oder bei der zuständigen Brigade für Vergehen gegen Minderjährige gemeldet. Die Vorwürfe reichen von sexueller Belästigung bis hin zu Vergewaltigung. Etwa ebenso viele weitere Frauen zögern offenbar noch, ähnliche Vorwürfe publik zu machen.
Das schwedische Model Ebba Karlssonhofft, dass noch andere Opfer "den Mumm, den Mut haben, das Wort zu ergreifen". "Wir sind jetzt mächtig", sagte die 51-Jährige.
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jum/AFP
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